BGH-Entscheid: Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wirksam
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Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wirksam sofern Anspruch individualisierbar

BGH Entscheid Anmeldung zur Musterfestsellungsklage ist wirksam

BGH weist Nichtzulassungsbeschwerde von VW zurück

Am 25. Juli hat der VIa Zivilsenat des BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde von VW zurückgewiesen. Darin hatte das Unternehmen behauptet, die verjährungshemmende Wirkung der Musterfeststellungsklage gelte dann nicht, wenn in der Anmeldung zur Individualisierung des Anspruchs die Angabe der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) nicht erfolgt. Das sahen die obersten deutschen Zivilrichter anders und bejahten vollumfänglich das Urteil der Vorinstanz, das dem Kläger – einem Mandanten unserer Kanzlei – einen Schadenersatzbetrag in Höhe von 32.000 Euro gegen Rückgabe seines manipulierten Fahrzeugs zugestand. Ein weiteres gutes Signal für Verbraucher!  

Karlsruhe im Juli 2022: Mit Beschluss vom 25. Juli hat der VIa Zivilsenat – beim Bundesgerichtshof (BGH) zuständig für Verfahren in der Dieselabgas-Causa – entschieden, die Beschwerde der beklagten Volkswagen AG gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des OLG Düsseldorfs zurückzuweisen. Aus Sicht des BGH wird die zu entscheidende Rechtsfrage bereits einhellig und juristisch korrekt von den Oberlandesgerichten beantwortet, sodass eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage nicht notwendig ist. Das Urteil des Oberlandesgerichts vom 28. Januar 2022 zugunsten des Klägers ist damit rechtskräftig. 

Was war geschehen?

Der von unserer Kanzlei Baum Reiter & Collegen vertretene Kläger erwarb im Jahr 2013 einen Neuwagen vom Typ VW Tiguan 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von rund 42.000 Euro. Dieses Fahrzeug war mit dem Betrugsmotor EA 189 ausgestattet. Deshalb ließ sich der Kläger im Dezember 2018 beim Bundesamt für Justiz für die damals neu aufgelegte Musterfeststellungsklage (MFK) gegen die Volkswagen AG registrieren. Sinn und Zweck der MFK besteht einerseits in der Bündelung identischer Ansprüche, um die Rechte von einzelnen Verbrauchern gegenüber großen Konzernen zu stärken. Andererseits soll dem Verbraucher mit der Möglichkeit der kostenfreien Anmeldung ein einfacher Weg der Rechtsverfolgung ohne anwaltliche Vertretung geboten werden. Zudem hemmt die Anmeldung bei der MFK die Verjährung der Ansprüche des Verbrauchers.  

Da im Rahmen der MFK dem Kläger der von VW den anderen Teilnehmern der MFK offerierte Vergleich verweigert wurde, entschloss sich der Kläger nach der Rücknahme der MFK im Frühjahr 2020 dazu, seinen Anspruch auf dem Individualrechtsweg durchzusetzen. Im Oktober 2020 reichte er deshalb Klage beim LG Wuppertal ein, in der er die Rückzahlung des Kaufpreises im Gegenzug zur Rückgabe des Fahrzeugs forderte. Das Landgericht sah es im Mai 2021 als erwiesen an, dass der Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Täuschung gem. § 826 BGB erfüllt sei und ordnete den Ersatz des dadurch entstandenen Schadens an.  

VW legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Begründung (unter anderem): Aufgrund von angeblichen Formmängeln – der Kläger hatte bei der Registrierung zur MFK vergessen, die FIN des manipulierten Fahrzeugs in das Anmeldeformular einzutragen – wäre die Anmeldung zur MFK gar nicht wirksam gewesen; deren verjährungshemmende Wirkung könne der Kläger somit nicht für sich geltend machen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers sei also verjährt. Das OLG Düsseldorf hielt die Berufung dagegen für weit überwiegend unbegründet, denn durch die wirksame Anmeldung der berechtigten klägerischen Ansprüche bei der MFK sei die Verjährung seit Ende 2018 gehemmt gewesen. Die Ansicht von VW, dass wegen fehlender Angabe der FIN der Gegenstand des Anspruchs nicht ausreichend individualisierbar sei, gehe fehl, da durch die anderweitig gemachten Angaben des Klägers in der Anmeldung zur MFK der geltend gemachte Anspruch sehr wohl hinreichend individualisierbar sei. VW legte dagegen Beschwerde ein, mit der sich jetzt der VIa-Zivilsenat des BGH im Juli dieses Jahres beschäftigte. 

Wie ist die Entscheidung des BGH zu werten? 

Erwartungsgemäß entschied der VIa-Senat am 25.07.2022 dahingehend, die Beschwerde von VW gegen die Nichtzulassung der Revision zurückzuweisen. Begründung: Die Anforderungen an eine wirksame Anmeldung von Ansprüchen zu einer MFK entsprächen den Anforderungen an einen in einer Klageschrift erhobenen Anspruchs. Anhand dieser Maßstäbe könne die FIN zwar eine hinreichende Angabe darstellen. Ihre Angabe in der Anmeldung zu einer MFK im Zusammenhang mit den sog. „Dieselfällen“ sei aber nicht in jedem Fall geboten, da das betreffende Rechtsverhältnis auch durch andere Angaben – wie im vorliegenden Fall durch die Benennung des Fahrzeugmodells und des Kaufzeitpunkts geschehen – identifizierbar ist.  

Der BGH stellt damit unmissverständlich klar, dass die Voraussetzung einer wirksamen Anmeldung bei einer MFK für den Verbraucher nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Vielmehr reicht es nach Ansicht der Richter des höchsten deutschen Zivilgerichts aus, wenn das Rechtsverhältnis, aus dem die Ansprüche geltend gemacht werden, individualisierbar ist. Für alle Verbraucher, die an der MFK gegen VW teilgenommen haben und deren Individualverfahren im Moment noch rechtshängig sind oder die sich der MFK gegen die Mercedes-Benz-Group AG (vormals Daimler AG) angeschlossen haben, ist das ein positives Signal. 

Baum Reiter: Mit der Expertise von 25.000 Verbraucher-Mandaten  

baum reiter & collegen sind seit über 20 Jahren im Verbraucherschutz tätig und haben seitdem ca. 25.000 Mandate in den Gebieten Schrottimmobilen, Kreditwiderruf, Vorfälligkeitsentschädigung, Online-Glücksspiel und Dieselabgasskandal betreut. Wir unterstützen Sie fachmännisch, Ihre Ansprüche gegen oft übermächtig erscheinende Gegner durchzusetzen. Seit vielen Jahren arbeiten wir mit einem renommierten Prozessfinanzierer zusammen und konnten in der Vergangenheit viele Erfolge (positive Urteile, Vergleiche) für unsere Mandanten erkämpfen. In einer kostenfreien Erstberatung (Plausibilitätscheck und Bewertung der individuellen Erfolgschancen) erläutern wir Ihnen transparent und ausführlich Ihre juristischen Möglichkeiten. Gerne nehmen wir eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falls vor. Prüfen Sie Ihre Erfolgsaussichten kostenlos und unverbindlich unter: https://baum-reiter.de/abgasskandal/online-check/    

Aktenzeichen
LG Wuppertal: 2 O 329/20 
OLG Düsseldorf: I-22 U 90/21 
BGH: VIa ZR 171/22