In unserem September-Newsletter hatten wir uns im Beitrag „Online-Glücksspiel: Tendenz steigend“ vor allem mit Zahlen & Statistik und aktuellen Trends beschäftigt. Heute soll der Aspekt „Sucht“ im Vordergrund stehen.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht in ihrem „Jahrbuch Sucht 22“ im Abschnitt „Glücksspiel“ von 2.3 Prozent Betroffenen (gesamte deutsche Bevölkerung, im Altersintervall zwischen 16 und 70 Jahren) aus, bei denen eine akute Tendenz hin zu „Störung durch Glücksspiel“ besteht. Nochmals aufgeteilt in: leichte Störung = 1.1%, mittlere Störung = 0.7% und schwere Störung = 0.5%. Nimmt man bloß die Spieler mit schwerer Störung in den Fokus, so beläuft sich bereits deren Anzahl auf rd. 300.000 (krankhafte) Zocker. Die mittelschweren Fälle dazu addiert reden wir von 700.000 Menschen in unserem Land, die beständig mehr spielen, als es ihrer Psyche und ihrem Portemonnaie guttut.
Pathologisches Spielen – was ist das eigentlich?
Da die deutsche Sprache nicht zwischen Spiel (z.B. Fußball oder Schach) und Glücksspiel sauber unterscheidet – im Gegensatz zum Englischen, das „to play“ und „to gamble“ kennt –, kommen wir zu Beginn um ein paar Definitionen nicht herum:
Spiel | Erleben einer Selbstwertsteigerung durch Meisterung einer aus dem Alltagsleben abgehobenen Handlungsanforderung zur Kompensation real erlebter Einschränkungen |
Glück | (Geld-) Einsatz auf (vorwiegende) Zufallsereignisse mit Erregungssteigerung aufgrund (verzerrter) Gewinnerwartungen mit langfristig negativen Folgen |
Sucht | Schuld- und schambesetzte Konfliktzuspitzung aufgrund der (verinnerlichten) Ambivalenz gegenüber dem Glücksspielen bei zunehmender sozialer Ausgrenzung |
pathologisch | krankhaft (von: Pathologie = Lehre von den Leiden/Krankheiten) |
Oder einfacher ausgedrückt: Im Gegensatz zum Teamspiel (z.B. Basketball) spielt jeder Glücksspieler für sich alleine entweder gegen ein Gerät, einen Bildschirm, eine „Bank“ oder einen Automaten. Dabei baut sich eine kurzfristige, als positiv empfundene Spannung auf (die Erwartung auf den möglichen Gewinn), die sich nach einigen Sekunden jedoch schon wieder verflüchtigt. Um das Gefühl rasch zu wiederholen, wird sofort neues Geld gesetzt. Und zwar so lange, bis entweder die Taschen leer sind oder die Kreditkarte am Limit angelangt ist. Den Suchtfaktor stellt dabei gar nicht der Gewinn dar (der oft sofort „reinvestiert“ wird), sondern das Risiko der unsicheren Erwartung verleiht dem Zocker den eigentlichen (Dopamin-) Kick. Sobald dieses Glücksgefühl häufig gesucht wird und das Zocken – sowie die dafür notwendige Mittelbeschaffung – den Tagesablauf bestimmen, spricht man von Sucht.
Als nicht-stoffgebundene Abhängigkeit (im Gegensatz zu bspw. Alkohol und Opiaten) dauerte es recht lange, bis die Glücksspielsucht als eigenständiges psychisches Störungsbild Eingang in die offiziellen medizinischen Klassifikationen fand. Seit 1980 lauten die diagnostischen Kriterien des pathologischen Glücksspielens wie folgt:
Hauptkriterien nach ICD-10 (F 63.0) |
Dauerndes, wiederholendes Glücksspielen |
Andauerndes, wiederkehrendes und maladaptives Spielverhalten, das persönliche, familiäre und Freizeitbeschäftigungen stört oder beeinträchtigt |
Diagnostische Kriterien gem. DSM-IV (312.31) |
Starke Eingenommenheit vom Glücksspiel (z.B. starke gedankliche Beschäftigung mit der Geldbeschaffung) |
Steigerung der Einsätze, um gewünschte Erregung zu erreichen |
Wiederholte erfolglose Versuche, das Spiel zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben |
Unruhe und Gereiztheit beim Versuch, das Spiel einzuschränken oder aufzugeben |
Spielen, um Problemen oder negativen Stimmungen zu entkommen |
Wiederaufnahme des Glücksspielens nach Geldverlusten |
Lügen gegenüber Dritten, um das Ausmaß der Spielproblematik zu vertuschen |
Illegale Handlungen zur Finanzierung des Spielens |
Gefährdung oder Verlust wichtiger Beziehungen, des Arbeitsplatzes und der Zukunftschancen |
Hoffnung auf Bereitstellung auf Geld durch Dritte |
Zusammengefasst – pathologisches Spielen erkennt man an diesen vier Faktoren:
Generell gilt: es spielen mehr (v.a. junge) Männer als Frauen. Wobei Anzahl und prozentualer Anteil der spielenden Frauen – begünstigt durch die Anonymität der Online-Angebote – ständig zunehmen.
Wie bei jeder Sucht stellt die Sozialisation im Elternhaus einen wichtigen Faktor dar. Wenn bereits die Eltern (krankhaft) spielen, dann sind die Nachkömmlinge in der Konsequenz stärker gefährdet als Kinder, die in nicht-spielender Umgebung aufwachsen. Die zweite Gruppe zeichnet sich durch eine spezielle Gemütsverfassung aus, die von ständiger innerer Anspannung bestimmt wird. Diese ist Ergebnis einer tiefsitzenden Störung des Selbstwerts, die sich negativ auf das emotionale Erleben und die Beziehungsgestaltung auswirkt. Die Spannung entsteht durch eine große Diskrepanz zwischen dem Bild, das die Person nach außen von sich erzeugt, und ihrem inneren Erleben. Sie tritt häufig überlegen, selbstsicher und mitunter leicht aggressiv auf, wirkt verschlossen und fassadenhaft, während sie eigentlich eher verletzlich ist und sich nach Zuneigung sehnt. Das innere Erleben durch ein entgegengesetztes Auftreten zu kompensieren, zehrt an den Kräften. Am Spielautomat/-tisch fällt all das vom Süchtigen ab; hier kann er seine innere Unruhe abreagieren und ist vollständig konzentriert auf das Geschehen, das seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht. Das Gegenüber ist neutral, und nicht am Spieler als Person interessiert, ihm muss nichts vorgegaukelt werden. Dafür spielt das Gegenüber dem Süchtigen was vor: nämlich eine faire Chance auf einen schnellen Gewinn.
Der erfahrene Spieler ist sich seiner geringen Chance, die er gegen das Gerät/die „Bank“ besitzt, zwar durchaus bewusst; dennoch gibt er sich der Illusion hin, dass er den Automaten austricksen kann und alles unter Kontrolle hat. Wer es nicht schafft, selbständig loszulassen oder sich rechtzeitig in eine Therapie zu begeben, dem drohen finanzieller Ruin, Verlust sämtlicher freundschaftlicher und familiärer Kontakte, im Extremfall sogar soziale Verwahrlosung und gesundheitliche Probleme. Nicht wenige Zocker müssen, um überhaupt noch schlafen zu können oder zwischendurch ein paar Stunden Ruhe zu finden, sich mit Alkohol u/o Tranquilizern betäuben. Pathologisches Spielen begünstigt definitiv den Substanzmissbrauch, sodass Zocker oft von zwei Dingen „entgiften“ müssen: der Droge (Alkohol, Tabletten, Kokain etc.) und ihrer fatalen Spielleidenschaft. Wie bei jeder Suchterkrankung gilt auch fürs Zocken die eiserne Regel: Heilung kann nur derjenige erfahren, der dauerhaft abstinent bleibt i.S.v. Investiert nie mehr 1 Cent in ein Glücksspiel. Andernfalls droht sofort der Rückfall.
baum reiter & collegen bietet Geschädigten deshalb seit Mai 2022 die Möglichkeit an, ihre Online-Verluste über unsere Kanzlei zurückzufordern. Mittels eines schnellen Online-Checks erfahren Sie, ob Sie auf einer illegalen Plattform gespielt haben, und ob Chancen bestehen, dass Sie ihr Geld zurückbekommen. Im zweiten Schritt durchlaufen Sie ein Mandatierungsformular, in dem wir Ihnen konkretere Fragen zu Ihrem Spielverlauf stellen. Mit Ihrer Unterschrift beauftragen Sie uns, Ihren Fall genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Anschluss erhalten Sie von unseren Experten eine realistische Einschätzung Ihres Falls. Bis hierhin geschieht alles kostenfrei. Kostenauslösende Maßnahmen – z. B. ein anwaltliches Schreiben an den Anbieter – ergreifen wir erst nach weiterer Rücksprache mit Ihnen. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit einem renommierten Prozessfinanzierer zusammen, der Ihnen im Stile einer Rechtsschutzversicherung sämtliche Kostenrisiken abnimmt. Dafür wird er am Ende des Verfahrens mit einem gewissen Prozentsatz an der für Sie vereinbarten Rückerstattung beteiligt.
Sie haben in den vergangenen Jahren Geld bei Online-Anbietern verloren? Dann zögern Sie nicht und durchlaufen Sie noch heute unseren Online-Check. Dauert 2 Minuten. Für telefonische Rückfragen steht Ihnen unser Expertenteam werktags zwischen 9 und 18 Uhr gerne zur Verfügung.
Nach zahlreichen verbraucherfreundlichen Urteilen zum Thema Glücksspiel war es nie so einfach wie heute, seine Online-Verluste mit großer Aussicht auf Erfolg juristisch einzufordern.
Besuchen Sie unsere Seite: https://online-check.baum-reiter.de/
+++
In unserem November-Newsletter werden wir uns mit dem Thema „Welche Formen von Glücksspiel gibt es, und welche sind besonders gefährlich?“ beschäftigen.
+++
ICD-10 = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Version/Überarbeitung Nr. 10. Entwickelt und herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation
DSM-IV = Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Version/Überarbeitung Nr. 4. Entwickelt und herausgegeben von der American Psychiatric Association (APA).
DHS: Jahrbuch Sucht 22 (hier das Kapitel „Glücksspiel – Zahlen und Fakten“)
DHS: Pathologisches Glücksspielen (Suchtmedizinische Reihe, Band 6)
Schneider, Ralf: Die Suchtfibel, 21. Aufl. (Kap, „Wie wird jemand zum problematischen Spieler?“)