Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 14. Juli in gleich drei Urteilen festgestellt, was eigentlich bereits lange klar ist: Abschalteinrichtungen, die die Wirkung der Abgasrückführung bei bestimmten Außentemperaturen verringern, sind rechtswidrig.
Konkret musste sich der EuGH in den drei Entscheidungen mit dem Software-Update beim „Skandalmotor“ EA 189 beschäftigen. Dieses beinhaltete, wie nahezu alle Dieselfahrzeuge, ein sog. Thermofenster, was bedeutet, dass die Abgasreinigung bei bestimmten Außentemperaturen reduziert wird. Beim EA 189-Software-Update ist das Thermofenster so ausgestaltet, dass die Abgasreinigung nur bei einer Außentemperatur von 15 bis 33 Grad Celsius und unter 1.000 Höhenmetern korrekt funktioniert. Außerhalb dieser Bedingungen ist der Stickoxid-Ausstoß infolge der reduzierten Abgasrückführung deutlich höher als eigentlich erlaubt. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte im Jahr 2016 Genehmigungen für die Updates beim EA 189 erteilt.
Doch wie der EuGH nunmehr entschieden hat, sind die in den genehmigten Updates enthaltenen Thermofenster rechtswidrig. Mit seinen Urteilen vom 14. Juli (C-128/20, C-134/20 und C-145/20) hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb eines Thermofensters gewährleistet, grundsätzlich eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Die in der Verordnung Nr. 715/2007 festgelegten Grenzwerte seien auch dann einzuhalten, wenn die Temperaturen unter 15 Grad und damit eindeutig in einem Bereich liegen, der in der Europäischen Union normal ist. Auch können sich – so der EuGH – die Hersteller nicht ohne Weiteres darauf berufen, dass Thermofenster zum Schutz des Motors erforderlich seien. Nur „unmittelbare Risiken“ in Form von „Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen“, könnten die Verwendung einer Abschalteinrichtung rechtfertigen, so das Gericht. Ein allgemeiner Verschleiß als Begründung für das Thermofenster scheidet damit eindeutig aus.
Das Urteil könnte erhebliche Auswirklungen auch für Autofahrer in Deutschland haben. Denn weiterhin sind hier Millionen von Fahrzeugen mit dem VW-Motor „EA 189“ unterwegs. Darüber hinaus findet sich ein Thermofenster in nahezu jedem Dieselfahrzeug. Sofern das KBA in Zukunft die Vorgaben des EuGH aus eigener Initiative umsetzt oder hierzu von den Gerichten verpflichtet wird (auch hierzu ist ein Verfahren vor dem EuGH anhängig, C-873/19), droht den betroffenen Fahrzeugen die Stilllegung.
Hilfestellung für Diesel-Fahrer könnte allerdings ebenfalls aus Luxemburg kommen: Denn der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos hat kürzlich vorgeschlagen, dass Autohersteller bei Verstößen der Hersteller gegen die Verordnung Nr. 715/2007 bereits für einfache Fahrlässigkeit haften sollen (C-100/21). Die Reaktion der Gerichte in Deutschland bleib nicht aus: Viele Oberlandesgerichte und die zuständigen BGH-Senate haben bereits reagiert und ihre Verfahren zunächst ausgesetzt, um eine Entscheidung des EuGH abzuwarten. Sollte sich der EuGH auch in diesem Verfahren – wie zu erwarten ist – der Ansicht des Generalanwalts anschließen, steigen die Erfolgssausichten für Klagen gegen Autokonzerne erheblich.
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