Dieselskandal: BGH verlängert Anspruchsfrist auf 10 Jahre
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Dieselskandal: BGH verlängert Anspruchsfrist auf 10 Jahre

BGH Dieselskandal

Mit Entscheidung zum Schadensersatzanspruch nach § 852 BGB macht der BGH den Weg für getäuschte Käufer von Neufahrzeugen mit EA 189 Motor trotz Verjährung frei

Am 21. Februar beschäftigte sich der BGH zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit mit der Frage, ob den getäuschten Kunden ein Restschadensersatzanspruch auch nach Eintritt der Regelverjährung beim Kauf eines mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs zusteht. Während der VII. Zivilsenat des BGH vor knapp zwei Wochen den Anspruch aus § 852 BGB beim Gebrauchtwagenkäufen verneinte, da die Herstellerin durch ihre Täuschung der Fahrzeugkäufer keinen finanziellen Vorteil aus dieser Transaktion erlangt, sieht das der VIa. Zivilsenat beim Kauf eines neuen Fahrzeugs grundlegend anders: Hier verbleibt ein geldwerter Vorteil eindeutig bei der Fahrzeugherstellerin, weshalb § 852 BGB zur Anwendung kommt. 

Illegale Abschalteinrichtung: Zehn Jahre Zeit, um Anspruch geltend zu machen 

Der BGH verhandelte in zwei ähnlich gelagerten Verfahren (VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21), in denen die Kläger jeweils einen Neuwagen von der Beklagten bzw. von einem Vertragshändler der Beklagten erworben hatten, der mit einem manipulierten Motor EA 189 versehen war. Beide Käufer wurden im Jahr 2016 mit entsprechenden Schreiben vom Kraftfahrt-Bundesamt über die konkrete Betroffenheit ihrer Fahrzeuge vom VW-Abgasskandal informiert. Die Frist zur Klageerhebung lief somit mit Ablauf des Jahres 2019 ab. Die Klagen gegen die Volkswagen AG wurden von beiden Käufern jedoch erst im Laufe des Jahres 2020 eingereicht, so dass der BGH zunächst eine Verjährung des jeweiligen Anspruchs nach § 826 BGB feststellte. Zugleich bejahte der BGH aber in beiden Verfahren ein Anspruch der Käufer auf Restschadensersatz nach § 852 BGB, da die Volkswagen AG durch die Täuschung der Käufer einen finanziellen Vorteil erlangt hatte und die Grenze zur Höchstverjährung des Anspruchs (hier: 10 Jahre) noch nicht erreicht worden war. Dabei spielte es nach Ansicht der Richter keine Rolle, dass die Kläger die Volkswagen AG auch vor Ablauf der Regelverjährung des Anspruchs nach § 826 BGB ohne Schwierigkeiten hätten (gerichtlich) in Anspruch nehmen können. Zudem stünde eine Nichtbeteiligung an dem Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Braunschweig gegen die Volkswagen AG der Geltendmachung eines Anspruchs nach § 852 BGB ebenfalls nicht im Wege.  

Darüber hinaus machten die Richter des höchsten deutschen Zivilgerichts deutlich, dass die Herstellungs- und Bereitstellungskosten der Volkswagen AG von dem Kaufpreis nicht abzuziehen seien, da sich die Herstellerin bösgläubig bereichert habe. Jedoch zog der BGH eine monetäre Obergrenze, indem der Anspruch auf Restschadenersatz aus § 852 BGB nicht weiter als der Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB, der grundsätzlich dem Vorteilsausgleich unterliegt, reichen darf. 

Was bedeutet das konkret? 

Der Käufer eines Neuwagens, dessen Motor von der Herstellerin mit einer illegalen Abschalteinrichtung vorsätzlich versehen wurde, kann seinen Anspruch nach § 852 BGB bis zehn Jahre nach der verbindlichen Bestellung geltend machen. Allerdings muss sich der Käufer – analog zur Kalkulation des Schadensersatzes gemäß § 826 BGB – die gefahrenen Kilometer als sogenannte Nutzungsentschädigung (negativ) anrechnen lassen. Hierbei gilt: je höher die Laufleistung, desto geringer der Schadensersatz. Auch ein etwaiger Weiterverkaufserlös, den der ursprüngliche Käufer zwischenzeitlich für das Fahrzeug erhalten haben könnte, wirkt in diesem Zusammenhang schadensmindernd. Außerdem sind die vom Käufer eventuell verauslagten Finanzierungsaufwendungen für den Fahrzeugkauf im Rahmen des Anspruchs nach § 852 BGB nicht erstattungsfähig.

Was sollten Betroffene jetzt tun? 

Wer seine Ansprüche für einen Neuwagen mit dem Motor EA 189, den er zwischen Frühjahr 2012 und dem 22. September 2015 erworben hat, bisher noch nicht gegenüber der Herstellerin geltend gemacht hat, kann dies ab sofort tun, auch wenn er das Fahrzeug zwischenzeitlich verkauft hat. Mit seinem verbraucherfreundlichen Urteil hat der BGH die Frist zur Durchsetzung ebendieser Ansprüche nun deutlich verlängert. Die Betroffenen sollten deshalb sofort von einem Experten prüfen lassen, ob der saldierter Anspruch in Ihrem konkreten Fall für eine Geltendmachung lohnt. 

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