27. Juli 2021
Das Landgericht Erfurt hat in seinem Urteil vom 28.04.2021 (Az. 1 HK O 43/20) entschieden, dass ein Unternehmen grundsätzlich in Ausnahmefällen auf Mail-Accounts der Arbeitnehmer zugreifen darf.
Dies ist nach § 26 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) z. B. der Fall, wenn der betreffende Arbeitnehmer in einem dringenden Fall abwesend ist und nicht selbst seinen Mail-Account freigeben kann oder wenn gegen ihn der dringende Verdacht einer Straftat besteht. Hinzukommen muss immer eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Das Gericht sah den Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten auch die private Nutzung des E-Mail-Accounts im Betrieb erlaubt, nicht als Telekommunikationsanbieter an. Wäre dies der Fall, dann dürfte ein inhaltlicher Zugriff auf die E-Mails des Arbeitnehmers nur mit dessen ausdrücklicher Zustimmung erfolgen.
Mit dieser Entscheidung liegt das LG Erfurt auf einer Linie mit den bisher hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen. Anders sehen dies bislang allerdings die Datenschutzaufsichtsbehörden in Deutschland. Auf Grundlage der weiterhin bestehenden „Orientierungshilfe“ aus dem Jahr 2016 gehen sie davon aus, dass ein Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten die private E-Mail-Nutzung erlaubt, als Telekommunikationsanbieter zu betrachten ist und somit das Fernmeldegeheimnis beachten muss. Der Arbeitgeber dürfte also nicht ohne Einverständnis des Arbeitnehmers auf dessen E-Mails Zugriff nehmen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Datenschutzaufsichtsbehörden auf die Entwicklung in der Rechtsprechung reagieren und gegebenenfalls ihre „Orientierungshilfe“ ändern werden. Bis dahin besteht für Unternehmen ein Restrisiko, dass die behördlichen Datenschutzbeauftragten einen Zugriff auf E-Mails der Beschäftigten ahnden. Dringend zu empfehlen ist Unternehmen daher eine klare Regelung für den Umgang mit der privaten Internet- und E-Mail-Nutzung im Betrieb, um in jedem Fall auf der (rechts-) sicheren Seite zu stehen.