Strafzinsen/Verwahrentgelt auf Giro- und Tagesgeldkonten
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Landgericht Berlin: Strafzinsen/Verwahrentgelt auf Giro- und Tagesgeldkonten unzulässig

Negativzins

Seitdem die Europäische Zentralbank (EZB) im September 2019 den Einlagenzins für Bankguthaben auf minus 0,5 Prozent gesenkt hat, versuchen immer mehr Banken und Sparkassen, diese Minuszinsen an ihre Kunden weiterzugeben und den bestehenden Guthaben in Form von Strafzinsen oder „Verwahrentgelt“, wie sie es nennen, ‚zuzuschlagen‘.

Für bereits bestehende Giro- und Sparkonten kann ein einseitiger Strafzins nicht verlangt werden, wenn dies zuvor nicht ausdrücklich vereinbart worden war und die wechselseitigen Zahlungspflichten lediglich in einer Zinszahlung durch die Bank oder Sparkasse einerseits und einer Kontoführungsgebühr durch den Kunden andererseits bestehen sollten. Dies hatte das Landgericht Tübingen bereits im Jahr 2018 entschieden (Az. 4 O 187/17 und 4 O 225/17).

Nun entschied das Landgericht Berlin nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands am 28.10.2021, dass auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen solche Verwahrentgelte für Guthaben unzulässig sind (Az. 16 O 43/21). Die Richter waren der Auffassung, dass Negativzinsen auf einem Giro- oder Tagesgeldkonto gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen verstoßen. Für solche Konten fallen grundsätzlich nur Zinsen zugunsten der Kunden an, die zwar bis auf Null sinken, aber niemals ins Minus rutschen dürfen. Den Kunden muss auf dem Konto zumindest das Kapital verbleiben, das sie eingezahlt haben. Unzulässige Negativzinsen können die Kunden nun zurückverlangen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, setzt aber ein deutliches rechtliches Signal für den Schutz von Bankkunden. Betroffene_Kunden sollten deshalb ihre Konten mit den zugehörigen Vereinbarungen darauf prüfen oder fachkundig prüfen lassen, ob die Negativzinsen zulässig sind und ggf. erstattet werden müssen.

Außerdem könnte die jüngste Gerichtsentscheidung einen Hinweis darauf geben, dass sich Kunden dem Versuch der Bank, einvernehmlich ein Verwahrentgelt zu vereinbaren, widersetzen können. Das Berliner Urteil betrifft zunächst nur Verwahrentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ob eine Bank in individuellen Verhandlungen mit ihren Kunden ein Verwahrentgelt vereinbaren darf oder ob sie sogar mit einer Kontokündigung drohen darf, wenn Kunden keine Negativzinsen vereinbaren wollen, ist damit noch nicht entschieden. Zuvor hatte das LG Köln in einem ersten Urteil vom 03.12.2020 (Az. 22 O 23/20) im Grundsatz akzeptiert, dass Banken das Konto eines derart ‚widerspenstigen‘ Kunden kündigen dürfen, da die Banken nun einmal mit Negativzinsen auf das veränderte Zinsumfeld reagieren müssten. Mit dem aktuellen Urteil aus Berlin könnte diese Argumentation in Frage gestellt werden.

Gegen eine solche Kontenkündigung lassen sich auf jeden Fall einige Argumente anführen:

  • Die Bank muss vor einer Kontokündigung in jedem Fall zuvor ein Gespräch über eine einvernehmliche Vertragsänderung zu ‚angemessenen‘ Konditionen anbieten. Solche Konditionen bestehen vor allem aus ausreichenden Freibeträgen.
  • Wenn die Kontoverbindung vereinbart wurde, als die EZB-Zinsen bereits negativ waren oder sogar bereits beim jetzigen Stand von -0,5 % lagen, dürfte sich die Bank nicht auf eine nachträgliche Änderung der ‚äußeren Bedingungen‘ berufen können. Dies wäre aber Voraussetzung für eine solche Kündigung.
  • Sparkassen unterliegen zudem einer besonderen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf ihre Kunden. Wer also sein Girokonto bei der Sparkasse hat, genießt hier einen zusätzlichen Bestandsschutz.

Weitere Infos

In der WDR-Fernsehsendung Markt“ vom 28.04.2021 wurde bereits über die Problematik_Strafzinsen auf Guthabenkonten von vermögenden Kunden berichtet. Dr. Olaf Methner, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarkrecht bei baum reiter & collegen, vertritt einige betroffene Kunden und wurde dazu für den Fernsehbeitrag interviewt: https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/markt/video-strafzinsen-fuer-kleinsparer-102.html

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