IN SACHEN KREDITWIDERRUF VON IMMOBILIENDARLEH
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Großer Erfolg für Verbraucher vor dem Bundesverfassungsgericht:

5. März 2018

Karlsruhe rügt Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und kippt Rechtsprechung des OLG Schleswig in Sachen Kreditwiderruf von Immobiliendarlehen

Düsseldorf, 13. Juli 2016 – „Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie“, „nicht nachvollziehbar“, nicht haltbar“… Mit solch deutlichen Worten hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil des OLG Schleswig aufgehoben, welches zuvor eine Kreditwiderrufsklage abwies. Der Streitpunkt: Eine Sparkassen-Widerrufsbelehrung mit typischen Fehlern, wegen der bereits einige Oberlandesgerichte den Verbrauchern Recht gegeben und den Kreditwiderruf als begründet angesehen hatten. Für tausende Darlehensnehmer von Sparkassen aus Schleswig-Holstein, die sich aktuell im Widerrufsverfahren befinden, sind gute Zeiten angebrochen: Ihr Widerruf verspricht gerichtlich anerkannt zu werden.

Anders OLG Schleswig: Das Oberlandesgericht hielt die Widerrufsbelehrung für akzeptabel und entschied, dass der Kläger nicht mehr widerrufen könne. Allerdings weigerten sich die schleswig-holsteinischen Richter, die Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.

Der klagende Kreditnehmer – vertreten durch Rechtsanwalt Maik Winneke, Kanzlei Poppe aus Pinneberg – zog deshalb vors Bundesverfassungsgericht. Wesentliche Unterstützung erhielt Winneke hierbei hinsichtlich des Kreditrechts von der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte (Berlin) und hinsichtlich des Verfassungsrechts von der Kanzlei baum reiter & collegen (Düsseldorf). Nun hatte die Verfassungsbeschwerde Erfolg: Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das OLG Schleswig mit seinem Urteil gegen die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie verstoßen hat. Dass dem Kläger die weiteren Rechtsmittel abgeschnitten wurden, sei „sachlich nicht zu rechtfertigen“, also willkürlich, so die obersten Verfassungshüter aus Karlsruhe. Die Begründung der Schleswiger Richter war nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts „nicht nachvollziehbar und nicht haltbar“.

Damit wurde das OLG-Urteil aufgehoben. Das Oberlandesgericht Schleswig ist nun verpflichtet, gegen sein klageabweisendes Urteil zumindest die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen. Die Kosten dieser Verfassungsbeschwerde muss das Land Schleswig-Holstein dem Verbraucher erstatten.

Was bedeutet der Beschluss für Verbraucher?
Rechtsanwalt Prof. Dr. Julius Reiter, Partner der Kanzlei baum reiter & collegen, meint hierzu: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stärkt den Rechtsstaat. Es weist Richter in die Schranken, die Verbraucherrechte vernachlässigen und in verfassungswidriger Weise von ihrer richterlichen Unabhängigkeit Gebrauch machen wollen. Das Urteil zeigt, dass es sich auch für Verbraucher lohnt, alle Möglichkeiten des Rechtsstaates auszuschöpfen.“ Darlehensnehmer von Sparkassen mit den unten aufgeführten Fehlern, die sich gerade im Rechtsstreit befinden, können aufatmen: Ihr Widerruf wird wahrscheinlich anerkannt werden. Verbraucher, die vor dem 21. Juni 2016 ihre Verträge eigenständig widerrufen haben und eine negative Antwort durch die Sparkasse erhielten, sollten einen Fachanwalt beauftragen: Der Erfolg winkt am Horizont.

Unterstützung bietet Sparkassenkunden auch ein weiteres BGH-Urteil vom gestrigen Tag: Die Richter sahen die Widerrufsbelehrung als fehlerhaft an, weshalb die Klägerin zu Recht ihre 2008 abgeschlossenen Darlehensverträge fünf Jahre später noch widerrufen konnte. Dies lässt sich auf nahezu alle Sparkassen-Verträge bei Verbraucherimmobiliendarlehen übertragen, die zwischen November 2002 und 2008 abgeschlossen wurden.

Folgende Fehler/Abweichungen enthielt die Widerrufsbelehrung des Klägers vor dem BVerfG:

  • Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.
  • Fußnote: Bitte Frist im Einzelfall prüfen.

Weiterführende Links:

Pressemitteilung des BGH zum Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2016&Sort=3&client=2&nr=75249&pos=0&anz=119&Blank=1

Urteil des BVerfG vom 16.06.2016 – 1BvR 873/15 – Rn (1-43):
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/06/rk20160616_1bvr087315.html