Der Fall „Renate Künast“
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Der Fall „Renate Künast“

Facebook Hate

Bundesverfassungsgericht stärkt die Rechte politisch Aktiver gegenüber Hasskommentaren

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit einem Beschluss vom 19.12.2021 (Az. 1 BvR 1073/20), dessen Begründung nun bekanntgegeben wurde, Beleidigungen der Grünen-Politikerin Renate Künast auf Facebook als strafbare Handlungen bewertet. Das in dem Verfahren zuvor befasste Kammergericht in Berlin hatte nach der zutreffenden Auffassung des BVerfG das verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsrecht der Politikerin außer Acht gelassen.

In dem Verfahren geht es um eine Klage von Renate Künast gegen Facebook auf Herausgabe der personenbezogenen Daten von Nutzern, die in den Jahren 2016 und 2019 diffamierende Kommentare über sie – teilweise mit Fäkalsprache und Aufforderungen zu Gewalttaten – gepostet hatten. Das Landgericht und das Kammergericht Berlin hatten den Anspruch nur für einen Teil der Kommentare bejaht, weil es sich um strafbare Beleidigungen handelte. Im Übrigen lägen zwar „erheblich ehrenrührige Herabsetzungen“ und Schmähungen vor, die aber noch nicht als Beleidigung aufzufassen seien.

Dieses Urteil des Kammergerichts hatte erhebliche Kritik in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Das BVerfG hat diese Kritik nun im Ergebnis bestätigt und dem Kammergericht wörtlich ein „Fehlverständnis“ des Persönlichkeitsrechts attestiert: In seiner Entscheidung führt es dazu aus, dass bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit öffentlicher Äußerungen – auch und gerade in sozialen Netzwerken – immer zwischen der Meinungsfreiheit der Äußernden und dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen abgewogen werden muss. Anfeindungen gegen eine Person, Verächtlichmachung oder Hetze werden hiernach nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Zu Recht weist das BVerfG in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass politisch Interessierte und Aktive nur dann zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft bereit sein werden, wenn ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist.

Das Kammergericht hat sich nun erneut mit der Sache zu befassen und muss die Vorgaben des BVerfG berücksichtigen. Es ist zu hoffen, dass sich auch bei anderen Gerichten in Deutschland die Überzeugung durchsetzt, argumentative Auseinandersetzungen zu politischen Themen klar von persönlichen Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu Hasskommentaren abzugrenzen.