RECHTE VON PLATTFORMBESCHÄFTIGTEN STÄRKEN
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Europäische Kommission will Rechte von Plattformbeschäftigten stärken

Digitale Plattform

18. Januar 2022

Am 09.12.2021 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Menschen, die über sog. digitale Arbeitsplattformen ihre Dienste anbieten. Auf diesen (digitalen Plattformen) erbringen Nutzer digitale Dienstleistungen verschiedener Art: von kleineren Aufgaben, sog. Microtasks, bis zu größeren digitalen Projekten. Ihr rechtlicher Status ist bisher sehr umstritten. Zwar gelten sie in den Augen der Plattformbetreiber überwiegend als selbstständig. Allerdings stufte das Bundesarbeitsgericht/BAG mit Urteil vom 01.12.2020, Az.: 9 AZR 102/20, einen Plattform-Beschäftigte als Arbeitnehmer ein, da er im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebunden und fremdbestimmt Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet hat. Zwar konnte der Kläger frei entscheiden, ob er Aufträge auf der Plattform annimmt, laut BAG reichte es jedoch zu ‚Fremdbestimmtheit‘ seiner Tätigkeit aus, dass die beklagte Plattform das Nutzverhalten der Beschäftigten durch Zuschnitt und Kombination der angebotenen Aufträge entsprechend ihres Beschäftigungsbedarfes lenkte.

Letztlich herrscht weiterhin eine große Rechtsunsicherheit, da nach deutschem Recht die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft auch nach dem Urteil des BAG eine Einzelfallentscheidung bleibt. Zur Geltendmachung von Arbeitnehmerrechten muss ein Nutzer in der Regel seinen Arbeitnehmerstatus gerichtlich feststellen lassen.

Dies könnte sich durch eine von der Kommission vorgeschlagenen Richtlinie ändern. Danach (Dafür) soll anhand von Kontrollkriterien festgestellt werden, ob es sich bei einer Plattform tatsächlich um einen Arbeitgeber handelt. Ist dies der Fall, stehen den auf der Plattform tätigen Personen Arbeitnehmerrechte wie z. B. Anspruch auf Mindestlohn, Gesundheitsschutz, Rentenansprüche, bezahlter Urlaub oder Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu. Sind die Betreiber/Inhaber der Plattformen der Ansicht, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht, so müssen sie die Einstufung anfechten oder widerlegen. Die Richtlinie soll zudem vorsehen, Plattform-Betreiber zu verpflichten, Arbeitsverhältnisse gegenüber den Behörden anzumelden und ihnen entsprechende Informationen über ihre Tätigkeiten und ihre Plattform-Beschäftigte bereitzustellen.

Der Vorschlag ist zu begrüßen. Die vorgeschlagene Richtlinie könnte für Rechtssicherheit sorgen und die Rechte der Plattform-Beschäftigten stärken. Dies ist dringend nötig. Denn Plattformarbeit ist längst kein Einzelphänomen mehr. Laut der Kommission sind bereits heute über 28 Millionen Personen in der EU auf digitalen Plattformen tätig. Bis zum Jahr 2025 soll diese Zahl noch auf 43 Millionen ansteigen. Geschätzt wird, dass ca. 5 Millionen Plattform-Beschäftigte zu Unrecht als Selbstständige eingestuft sind. Ein Handeln auf europäischer Ebene ist daher geboten, um zu verhindern, dass durch die wachsende Plattformökonomie ein neuer, fast vollkommen ungeregelter Sektor entsteht, der die Arbeitnehmerrechte untergräbt.