27. Juni 2022
Bezahlen mit „Plastikgeld“, das heißt mit Zahlkarte, gibt es in Deutschland seit fast 70 Jahren. Es begann in den 50-er Jahren mit der Kreditkarte. Anfang der 90-er Jahre kam das Debitkartensystem hinzu. Doch ganz durchdrungen hat die Kartenzahlung unsere Wirtschaft noch nicht.
Bargeldlose Zahlungssysteme werden, befeuert durch das Internet- und Smartphone-Zeitalter, ständig fortentwickelt. Im Fokus standen zunächst Aspekte wie Datensicherheit und Datenschutz. Sodann ging es darum, alternative Zahlungsmittel zu entwickeln, die Sicherheit und ein Maximum an Serviceleistung miteinander vereinen. Verschiedenste Produkte, die insbesondere auf den Smartphoneeinsatz abzielen, wurden bereits auf den Markt gebracht (sog. „digital payments“).
Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Dies wird bereits bei einem Besuch in unseren europäischen Nachbarländern deutlich. In Ländern wie Frankreich oder Belgien kann nahezu alles per Kreditkarte bezahlt werden. Dies gilt zum Beispiel auch für Kleinstbeträge in Bäckereien oder Imbissbuden. In Deutschland hingegen wird noch regelmäßig die Nase gerümpft, will man im Kiosk eine Flasche Cola und einen Schokoriegel bargeldlos bezahlen. Teilweise ist eine Kartenzahlung gar nicht erst möglich. Oder dem Kaufpreis wird eine Transaktionsgebühr aufgeschlagen. Es ist nicht lange her, dass in großen Supermarktketten eine Kartenzahlung bei einem Betrag von unter 10 Euro abgelehnt wurde. Die Folge ist, dass die Deutschen das Zahlen mit Bargeld nicht verlernen. Umso schwerer fällt der breiten Masse ein vollständiger Verzicht auf Münzen und damit auch der Umstieg auf alternative Zahlungsmethoden.
Die Idee, die sich seit mehreren Jahre hält, ist das Anstoßen des Bezahlvorgangs via Smartphone. Denn das Smartphone ist ständiger Begleiter; eher noch bleibt die Geldbörse zu Hause. Doch die bisherige Erfahrung ist, dass das beste und komfortabelste smartphoneunterstützte Zahlungssystem scheitern muss, wenn es nicht flächendeckend verwendet werden kann. Der Nutzer hat wenig Interesse daran, eine Vielzahl von Bezahlsystemen vorzuhalten in der Hoffnung, dass eventuell eins davon im gewählten Geschäft akzeptiert wird. Denn auch dann steht der Nutzer vor dem bekannten Problem: Wird bargeldlose Zahlung unterstützt oder nicht? Zur Sicherheit sind in der Folge dann doch wieder Münzen und Scheine in der Tasche. Die Vision, dass das Smartphone alleiniger Begleiter wird, erfüllt sich (noch) nicht.
Die Technik sowie attraktive Geschäftsmodelle zur Umsetzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind vorhanden. Rechtlich müssen die verschiedenen Anbieter dabei insbesondere darauf achten, dass sie durch ihr Angebot nicht das erlaubnispflichtige E-Geld-Geschäft erbringen. Unter E-Geld-Geschäft ist die Ausgabe von elektronischem Geld (E-Geld) zu verstehen. Der Betrieb des E-Geld-Geschäfts ist erlaubnispflichtig und wird durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht. Gemäß der Definition im Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) ist E-Geld jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte Wert (z.B. auf einer Chip-Karte) in Form einer Forderung gegenüber der das E-Geld ausgebenden Stelle, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge durchzuführen und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird (vgl. § 1a Abs. 3 ZAG). Vorgenannte Definition wurde vom Gesetzgeber bewusst neutral gehalten, um auch zukünftige alternative Zahlungsprodukte mit der Regelung erfassen zu können. Im Kern geht es darum, dass mit Hingabe gesetzlicher Zahlungsmittel (Bargeld oder Buchgeld) elektronische Werteinheiten ausgegeben werden, die als alternative Zahlungsmittel bei all den Stellen eingesetzt werden können, die sich zur Annahme dieser Werteinheiten als Zahlungsmittel verpflichtet haben. Typische E-Geld-Produkte sind die GeldKarte, Prepaid-Kreditkarten, PayPal, je nach Einzelfall Bonus- und Rabattsysteme, Gutscheinkarten oder Predpaid-Telefonguthaben.
Ob ein alternatives Bezahlprodukt E-Geld im Sinne des Finanzaufsichtsrechts darstellt, kommt auf den Einzelfall an. Beim Einsatz des Smartphones (z.B. mit NFC-Technik) wird dieses häufig lediglich dazu verwendet, den Zahlungsvorgang anzustoßen. Die Zahlungsabwicklung erfolgt dann, wie nach Einsatz der Debitkarte, durch Abbuchung vom Girokonto. Eine Erlaubnispflicht gemäß dem ZAG für das E-Geld-Geschäft besteht dann regelmäßig nicht. Allerdings empfiehlt sich bereits bei Konzipierung und Planung eines neuen Geschäftsmodells eine anwaltliche Prüfung. Denn die nachträgliche Beantragung einer Erlaubnis bei der BaFin für den Betrieb des E-Geld-Geschäfts stellt nicht selten sowohl aus finanziellen als auch aus zeitlichen Gründen insbesondere für Startups (regelmäßig im FinTech-Bereich) eine nur schwer überwindbare Hürde dar.
Für den Erfolg alternativer Zahlungsmittel müsste zunächst ein Umdenken erfolgen. Der Einzelhandel müsste den bargeldlosen Zahlungsverkehr (jedenfalls als regelmäßige Alternative neben der Bargeldzahlung) als Wettbewerbsvorteil begreifen und dem Kunden beim bargeldlosen Zahlungsvorgang ein positives Gefühl vermitteln. Der Bezahlvorgang muss dem Kunden Spaß machen, damit das Bargeld in den Hintergrund rückt. In den letzten Jahren reduzierte sich die Verwendung von Bargeld kontinuierlich. Doch noch immer wird an der Ladenkasse in mehr als 50% der Fälle mit Bargeld bezahlt. Für die Zukunft existieren unterschiedliche Prognosen. Letztlich werden es insbesondere auch die Nutzer sein, die über das Schicksal des Bargelds entscheiden. Der genaue Zeitpunkt allerdings bleibt ungewiss.
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