EuGH bejaht Klagebefugnis
Der EuGH entschied Anfang November erneut contra Thermofenster. Welche Auswirkungen haben dieses Urteil und die damit zusammenhängende Klage der DUH auf geschädigte Autokäufer?
In einem aufsehenerregenden Urteil entschied die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs am 8. November, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen der von der Behörde nicht gemaßregelten illegalen Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen klagen kann. Umweltvereinigungen dürfen gegen „falsche“, umweltschädigende Typgenehmigungen von Kfz vor Gericht ziehen. Die bisherige deutsche Praxis, die Verbänden, die nicht direkt geschädigt sind, die Klagebefugnis verweigert, verstoße gegen EU-Recht. Der DUH müsse diese Befugnis eingeräumt werden, wenn sie im Allgemeininteresse gegen aus ihrer Sicht umweltschädigende Praktiken vorgehe. Zudem führte der EuGH erneut aus, dass das sog. „Thermofenster“ – also temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen – in Dieselautos regelmäßig als illegal anzusehen sind.
Die DUH stört sich vor allem an den Genehmigungen für die Software-Updates, die im Zusammenhang mit dem Dieselabgasskandal von den jeweiligen Herstellern als Lösung aller Probleme angepriesen wurden. Das KBA hatte sog. „Thermofenster“, die Kernbestand der Software-Updates sind, in seinen Freigabebescheiden bislang als rechtmäßig eingestuft. Dies selbst in Fällen, in denen bei normaler Umgebungstemperatur die Abgasreinigung zurückgeregelt wird, was wiederum erhöhte NOx-Emissionen und damit die Gesundheitsgefährdung vieler Menschen zur Folge hat. Die DUH forderte deswegen bereits in der Vergangenheit entweder entsprechende Nachrüstung oder, falls diese technisch nicht möglich ist, die Stilllegung der Fahrzeuge. Das Urteil des EuGH hat nun Auswirkungen auf rund 5 Millionen PKW, die sich mit illegalen temperaturabhängigen Abschalteinrichtungen auf deutschen Straßen bewegen. Zumeist handelt es sich dabei um Euro-5-Fahrzeuge der Hersteller VW, Porsche, Audi, Seat und Daimler. Jedoch sind ebenfalls ausländische Modelle betroffen.
Spannend zu beobachten wird sein, wie sich der BGH nun positioniert. Bisher hat er in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass er den Verbau von sog. „Thermofenstern“ nicht als eine sittenwidrige Schädigung einstuft. Dies führte zu einer Vielzahl verloren gegangener Individualklagen getäuschter Kunden vor deutschen Gerichten. Sollte die Umwelthilfe mit ihrer Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erfolgreich sein und zusätzlich der EuGH – wie aktuell erwartet wird – in einem weiteren, kurz vor der Entscheidung stehenden, Verfahren die Anspruchshürden für getäuschte Fahrzeugkäufer im Rahmen des Dieselabgasskandals senken, dürfte jedoch auch in Karlsruhe ein Umdenkprozess zum sog. „Thermofenster“ einsetzen. Aber aufgrund der schon jetzt realen Gefahr von Stilllegungen von PKW, in denen eine illegale temperaturabhängige Abschalteinrichtung eingebaut ist, sollten Käufer dieser Fahrzeuge bereits heute ihre Chancen auf Schadensersatz von einem juristischen Experten prüfen lassen.
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EuGH, Urteil vom 08.11.2022, Rs. C-873/19