10 Jahre nach der Duisburger Loveparade
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10 Jahre nach der Duisburger Loveparade – Was erwarten wir?

23. Juli 2020

https://www.youtube.com/watch?v=esoHDG6GowM&feature=emb_title

Düsseldorf, den 23.07.2020: Wir wenden uns an Sie am 10. Jahrestag der Katastrophe, deren strafrechtliche Verfolgung in diesen Tagen verjährt. 10 Jahre lang haben wir mehr als 80 Hinterbliebene und Opfer in ihrem Schmerz und mit ihrem Wunsch nach Aufklärung begleitet. Am Ende steht grenzenlose Enttäuschung.

Sie richtet sich mehr oder minder an alle, die für Aufklärung zuständig waren: an die Gerichte, die Staatsanwaltschaften, aber auch die Polizei und in geringerem Maße auch an die Politik. Spätestens jetzt ist umso klarer geworden, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss notwendig gewesen wäre.

Die eigentlich Verantwortlichen standen nicht vor Gericht. Und es war ein Fehler der Justiz, sich nicht noch stärker auf das Verwaltungsversagen der Stadt Duisburg konzentriert zu haben. Seitens der Verwaltung wurden alle Widerstände und Bedenken niedergebügelt. Ein hoch bezahltes ‚Gefälligkeitsgutachten‘ wurde zur Grundlage der Entscheidung gemacht, weil Stadt und Land die Veranstaltung unter allen Umständen wollten im Jahr RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas. Bis zum Schluss setzten sich die Verantwortlichen über die erheblichen Sicherheitsbedenken in ihrer eigenen Verwaltung hinweg. Der Oberbürgermeister tauchte ab – ein klassisches Organisationsversagen.

Wir schämen uns gegenüber unseren Mandanten und besonders gegenüber den ausländischen Mandanten: dass nun am Ende nicht in letzter Klarheit deutlich wurde, was zur Katastrophe geführt hat und welches Versagen einzelner dafür verantwortlich war. Dabei denken wir nicht nur an die strafrechtlich relevante individuelle Schuld, die wegen Verjährung jetzt ohnehin nicht mehr zur Debatte steht. Es ging immer auch darum, das komplexe Verwaltungsversagen im Einzelnen aufzudecken, was nicht geschehen ist.

Eine bemerkenswert breite kritische Medienöffentlichkeit macht deutlich, dass trotz allem die Sache nicht zu Ende ist. Auch der Landtag und die Landesregierung haben die Katastrophe anlässlich der Einstellung der Strafverfahren vor kurzem erneut zum Thema gemacht. Das hat unseren Mandanten gut getan.

Was erwarten wir?

  1. Mit dem auf unsere Initiative von der Landesregierung auf 5 Millionen Euro aufgestockte Nothilfefonds ist ein wichtiges Mittel der Opferfürsorge geschaffen worden. Dieser Fonds muss mit Leben erfüllt und weiter ausgebaut werden.
  2. Die jetzt vom Landtag geforderte Kommission sollte nicht nur Konsequenzen für künftige Großveranstaltungen ausarbeiten. Aus Anlass des Fehlverhaltens der Duisburger Stadtverwaltung müssen Verhaltensregeln entwickelt werden, nach denen die Mitglieder einer Verwaltung, die rechtlich begründete Bedenken geltend machen, auch gehört werden. Immer wieder erleben wir, dass – wie in Duisburg geschehen – korrektes Verwaltungsverhalten politischer und sachfremder Opportunität untergeordnet werden: unddas bundesweit. In solchen Fällen muss Widerstand ernst genommen werden und zur Geltung kommen. Hier könnte NRW auf neues Denken bundesweit Einfluss nehmen.
  3. Landesregierung und Landtag sollten prüfen, ob nach niederländischem Vorbild ein „SafetyBoard“ ins Leben gerufen wird. Dieses hat in unserem Nachbarland in völliger Unabhängigkeit nach behördlichen Fehlleistungen vorbildliche Aufklärungsarbeit geleistet. Als erster Schritt könnte beim niederländischen Board jetzt eine Untersuchung der Loveparade-Katastrophe in Auftrag gegeben werden, um eines zu erreichen: unabhängig von strafrechtlicher Schuld festzustellen, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass an einem solchen für jeden Laien erkennbar ungeeigneten Ort eine solche Veranstaltung überhaupt genehmigt werden konnte.

Eines lässt sich dadurch nicht ungeschehen machen lassen: ein erheblicher Ansehensverlust der Justiz. Die Mahnung des Vorsitzenden Richters an unsere Mandanten, „es doch jetzt mal gut sein zu lassen“, hat diese tief verletzt.