5. März 2018
Düsseldorf, 22.11.2016-
Die Diskussion rund um den VW-Abgasskandal kommt nicht zur Ruhe. Nach den zuletzt kritisch geführten Diskussionen zur Rückrufaktion des VW-Konzerns kritisiert VW-Chef Matthias Müller im Zuge der Vorstellung der beschlossenen Umstrukturierung des Konzerns das Verhalten seiner Kunden. Diese würden lediglich auf die Entschädigungszahlungen in den USA schielen. Dabei könne die Situation in den USA und Deutschland nicht verglichen werden. Am Umweltschutz sei den Kunden hingegen wenig gelegen; insbesondere würden kaum Elektrofahrzeuge gekauft, so Müller. Mit diesen Äußerungen tritt der VW-Konzern aus der Deckung hervor und versucht den „Schwarzen Peter“ seinen Kunden rüberzureichen.
Der deutsche VW-Käufer blickt verärgert auf die Entschädigungspraxis in den USA. Dort nämlich erhalten die VW-Fahrer Zahlungen von bis zu EUR 10.000. Überdies bietet VW eine Rücknahme des Fahrzeugs an. Hierzulande hingegen bittet der VW-Konzern seine Kunden lediglich zum Softwareupdate.
VW-Chef Matthias Müller weist indes auf die völlig unterschiedliche „Ausgangssituation“ in den USA und Deutschland hin. Den deutschen Anspruchsstellern wirft er „Rosinenpickerei“ vor. Viele Bürger würden die amerikanische Gesetzgebung zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Handelsabkommen TTIP kritisieren. Wenn es für Verbraucher aber darum ginge, selbst Vorteile zu erzielen, würde das amerikanische Recht aber als Maßstab herangezogen werden. In Deutschland bestehe schon kein Grund für eine entsprechende Entschädigungszahlung. Denn mit der Nachrüstung per Softwareupdate würde der Mangel restlos behoben, meint Müller, und wiederholt damit die bereits bekannte Auffassung des VW-Konzerns.
Hierzu Rechtsanwalt Prof. Dr. Reiter: „Von den Entschädigungsansprüchen aus dem Abgasskandal den Bogen zum Handelsabkommen TTIP zu schlagen ist absurd. Die beiden Sachverhalte haben keine Gemeinsamkeiten. Die deutschen VW-Käufer beobachten lediglich aufmerksam, wie mit ihnen im Vergleich zu VW-Kunden in den USA umgegangen wird. Die Unterschiede sind bekanntlich gravierend. Deutsche VW-Fahrer fühlen sich daher – unabhängig von der nationalen Gesetzeslage – als Kunden 2. Klasse. Durch die jüngsten Äußerungen von Herrn Müller werden die WV-Kunden in diesem Gefühl erneut bestätigt.“
Gegen die erneute Behauptung, deutsche VW-Fahrer würden aufgrund der angebotenen Nachrüstung gar keinen Schaden erleiden, wendet Prof. Dr. Reiter entschieden ein: „Selbst wenn es VW gelänge eine Nachrüstung ohne die im Raum stehenden Nachteile wie Mehrverbrauch oder Leistungsverlust umzusetzen, so bleibt das betroffene Fahrzeug doch unvermeidlich mit einem Mangel behaftet, der jedenfalls zu einem merkantilen Minderwert führt.“ In der Tat dürften manipulierte VW-Fahrzeuge mit Unfallfahrzeugen vergleichbar sein. Der Preis für solche Fahrzeuge richtet sich nach Angebot und Nachfrage auf dem Fahrzeugmarkt. Als Autokäufer würde ich mir genau überlegen, ob ich zum Beispiel EUR 20.000,00 für ein Fahrzeug ausgebe, dass mit der Manipulationssoftware ausgestattet war. Denn für den Kunden bleibt – als in der Regel technisch nicht näher versiertem Verbraucher – absolut ungewiss, ob die Nachrüstung später ggf. doch noch zu Schäden am Fahrzeug führt“, so Prof. Dr. Reiter.
In Anbetracht vorgenannter Ausführungen ist nachvollziehbar zu erwarten, dass betroffene VW-Kunden Ihr Fahrzeug bei einem Verkauf unter Wert abgeben müssten. Auch Garantien von VW würden hieran voraussichtlich nichts ändern. Denn auf das Wort von VW wird sich in diesen Zeiten wohl kaum ein Verbraucher verlassen wollen.
Nach alledem ist für die Kritik des VW-Chefs Matthias Müller an seinen Kunden kein Raum. Insbesondere der Vorwurf des mangelnden Interesses von Autokäufern an Elektrofahrzeugen, die schließlich zum Umweltschutz beitragen würden, hinkt. „Dass der Absatz von Elektrofahrzeugen hinter den Herstellererwartungen zurück bleibt, liegt nicht an potentiellen Käufern, sondern insbesondere daran, dass die geringe Reichweite der angebotenen Elektroautos die Alltagstauglichkeit einschränkt. Es gibt in Deutschland noch kaum Infrastruktur für Elektroautos. Viele Interessenten von Elektrofahrzeugen fürchten die vergebliche Suche von Stromtankstellen. Anstatt Kunden-Bashing zu betreiben, wäre VW gut beraten darauf hinzuwirken, dass zunächst einmal diese Probleme gelöst werden“, bemängelt Prof. Dr. Reiter.
Der VW-Konzern sollte Anschuldigungen gegenüber den Kunden unterlassen. VW sollte im Gegenteil lieber auf die Kunden zugehen und insbesondere Kompensationszahlungen anbieten. Nur auf diese Weise kann es dem VW-Konzern gelingen, das Vertrauen am Fahrzeugmarkt zurückzugewinnen.
Kanzleiprofil:
Baum Reiter & Collegen nehmen eine Spitzenposition bei den bundesweit tätigen Kanzleien im Kapitalanlegerschutz ein. Daneben ist die Kanzlei auf die Geltendmachung der Rechte der Betroffenen von Massenschadensfällen spezialisiert und vertritt im VW-Abgasskandal eine Vielzahl von Aktionären und Autofahrern. Prof. Dr. Julius Reiter tritt regelmäßig als Sachverständiger im Bundestag auf. Gerhart Baum war früher Bundesinnenminister.
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